Deutschlandtrend Mehrheit sieht eher Nachteile von Zuwanderung - und will weniger Migranten aufnehmen

Stand: 05.05.2023 | Lesedauer: 5 Minuten

Von Sabine Menkens
Politik-Redakteurin

Die Migrationspolitik sorgt in der Bevölkerung für Unbehagen: Eine große Mehrheit findet, dass die Politik sich zu wenig um Probleme infolge der Zuwanderung kümmere. Und nur wenige schreiben den Parteien die nötige Kompetenz dafür zu. Im Beliebtheitsranking stürzt Minister Habeck ab.

Die Bundesregierung will den Bundesländern beim Flüchtlingsgipfel am kommenden Mittwoch keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung stellen. Unterdessen warnt die Bundespolizei vor weiter steigenden Zahlen und einer zunehmenden Überlastung der Kommunen.
Quelle: WELT

Knapp eine Woche vor dem Migrationsgipfel von Bund und Ländern im Kanzleramt hat sich die Stimmung der Deutschen in Bezug auf eine weitere Aufnahme von Migranten gedreht. Eine knappe Mehrheit von 52 Prozent ist inzwischen der Meinung, dass Deutschland "weniger Geflüchtete aufnehmen" sollte - das sind zwölf Prozentpunkte mehr als im Vergleichsmonat Januar 2020.

Für 54 Prozent überwiegen für Deutschland bei der Zuwanderung die Nachteile, nur ein Drittel sieht "eher Vorteile". Das zeigt der neue Deutschlandtrend, den Infratest Dimap im Auftrag von ARD-"Tagesthemen" und WELT erhoben hat.

Die Bürger differenzieren dabei aber sehr deutlich nach der Art der Zuwanderung. Die Aufnahme "von Fachkräften aus dem Ausland" wird von der überwiegenden Mehrheit der Befragten positiv gesehen, 41 Prozent wollen gern mehr Fachkräfte anwerben, 28 Prozent etwa so viele wie bisher, nur 23 Prozent wollen "weniger Fachkräfte anwerben" als bisher.

Ganz anders das Bild bezüglich anderer Migrantengruppen: Nur acht Prozent sprechen sich dafür aus, dass Deutschland "mehr Geflüchtete aufnehmen" sollte, 33 Prozent wollen "etwa so viele Geflüchtete aufnehmen wie derzeit", und 52 Prozent wollen "weniger Geflüchtete aufnehmen".

Quelle: Infografik WELT

Für eine restriktivere Migrationspolitik spricht sich nicht nur eine Mehrheit der AfD-Anhänger (92 Prozent) aus; auch 61 Prozent der FDP- und 57 Prozent der Unionsanhänger äußern sich entsprechend. Bei ihnen überwiegt auch die Einschätzung, dass die Migration nach Deutschland eher Nachteile bringt. Auch die Anhänger der Linkspartei sehen in der Zuwanderung eher Nachteile als Vorteile (51 zu 42 Prozent).

Quelle: Infografik WELT

Die Hälfte aller Befragten gibt an, es mache ihnen "Angst, dass so viele Geflüchtete zu uns kommen" - ein Wert, der seit der 2016 etwa konstant hoch ist. Doch trotz der Sorgen schauen die Menschen genau auf die Gründe der Flucht.

Noch immer ist eine große Mehrheit für die Aufnahme von Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlingen (84 Prozent) und von Menschen, die vor Hungers- oder Naturkatastrophen fliehen (70 Prozent) oder politisch oder religiös verfolgt sind (68 Prozent), auch wenn die Akzeptanz dieser Fluchtgründe im Vergleich zur Flüchtlingskrise 2015/16 gesungen ist. Die Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen, die "geflohen sind, weil sie in ihrem Heimatland keine Arbeit und kein Auskommen haben", stößt hingegen bei 61 Prozent auf Ablehnung.

Für die Politik ist dieses Stimmungsbild gefährlich, denn insgesamt sinkt in der Bevölkerung die Wahrnehmung, dass genug getan wird, um die Folgen der Migration in den Griff zu bekommen. 77 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu: "Die politischen Parteien kümmern sich viel zu wenig um die Probleme, die durch die Zuwanderung von Geflüchteten entstehen." Selbst bei Grünen- und SPD-Anhängern dominiert diese Ansicht inzwischen deutlich.

Quelle: Infografik WELT

Das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit des Parteiensystems im Bereich der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik ist in diesem Zuge regelrecht erodiert. 35 Prozent können oder wollen derzeit keiner Partei entsprechende Kompetenzen zuweisen, das sind 19 Prozentpunkte mehr als direkt vor der vorigen Bundestagswahl im September 2021. Noch 21 Prozent setzen am ehesten auf die Unionsparteien, 16 Prozent auf die SPD, zwölf Prozent auf die AfD. Vor allem Grüne und SPD verzeichnen Vertrauensverluste.

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Nur in einem Punkt kann Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sich der Zustimmung der Bevölkerung sicher sein: Ihr Vorschlag, Asylverfahren an die EU-Außengrenzen zu verlagern, geht für 79 Prozent der Befragten grundsätzlich in die richtige Richtung.

Lindner jetzt beliebter als Habeck

Die Rangliste der beliebtesten Spitzenpolitiker wird auch im Mai von Verteidigungsminister und SPD-Mann Boris Pistorius (52 Prozent, minus ein Punkt) angeführt. Auf Platz zwei folgt mit einem Zuspruch von 44 Prozent (plus zwei Punkte) Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Mit der Arbeit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sind 35 Prozent zufrieden (minus zwei), FDP-Finanzminister Christian Lindner kommt unverändert auf 33 Prozent. Bitter ist das Ergebnis für Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Seine Beliebtheitswerte rauschten infolge seiner umstrittenen Heizungspläne im Mai weiter in den Keller. Habeck verlor fünf Prozentpunkte und erreicht mit nur noch 30 Prozent den schlechtesten Wert seit seinem Eintritt in die Bundesregierung.

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CDU-Chef Friedrich Merz erreicht im Ranking der beliebtesten Spitzenpolitiker mit 29 Prozent Zustimmung nur Platz sechs und büßt damit gegenüber dem Vormonat noch einmal zwei Prozentpunkte ein. Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, läge seine Union gleichwohl mit weiterhin 30 Prozent der Stimmen weit vorn.

SPD und Grüne verlieren im Vergleich zum Vormonat je einen Prozentpunkt und kämen auf 17 beziehungsweise 16 Prozent. Gleichauf mit den Grünen liegt die AfD, die einen Prozentpunkt zulegt und mit 16 Prozent ihren besten Wert seit November 2018 erreicht. Die FDP liegt unverändert bei sieben Prozent, die Linke leicht verbessert bei fünf Prozent.

Insgesamt zeigt sich ein politisches Stimmungsbild, das die Unzufriedenheit der Bürger mit der Regierungsarbeit spiegelt. Überwiegend zufrieden mit der Performance der Ampel-Regierung sind nur noch die Anhänger von SPD (71 Prozent) und Grünen (66 Prozent). Bei allen anderen dominiert die Unzufriedenheit - auch bei den Anhängern der mitregierenden FDP. Nur 28 Prozent von ihnen sind noch einverstanden mit der Politik der Ampel-Regierung.


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